Chronik

Aus der Geschichte des Elisabethenstifts in Darmstadt


In 2008 wird das Elisabethenstift seinen 150. Geburtstag feiern. Eine lange und bewegte Zeit ist seit seiner Gründung als evangelisches Diakonissenmutterhaus am 19. November 1858 vergangen.

Damals hatten der Darmstädter Hofprediger Ferdinand Bender und Mitglieder eines Missionsvereins Prinzessin Elisabeth dafür gewonnen, das Protektorat für die Stiftung zu übernehmen und sich mit einer hohen Spende zu engagieren. Prinzessin Elisabeth von Preußen war durch ihre Heirat mit Prinz Carl von Hessen 1835 nach Darmstadt gekommen, ihr Leben lang war sie wohltätig. Das »Stift« hat ihr viel zu verdanken.

Mit ihren Talern und einer Sammlung in allen Kirchengemeinden des Großherzogtums Hessen konnte das Baugelände an der Erbacher Straße 25 - damals noch vor den Toren der Stadt - angekauft und mit dem Bau des Mutterhauses begonnen werden.

Am 19. November 1858, dem Tag der Heiligen Elisabeth, wurde das Diakonissenhaus Elisabethenstift »in Anwesenheit des ganzen Großherzoglichen Hofes, ... hohen Staatsbeamten, vieler Geistlichen von Stadt und Land, des Oberbürgermeisters der Residenz ...« feierlich eingeweiht. Den Grundriss bildete ein Kreuz, in der Mitte lag die Kapelle, angrenzend die Krankenzimmer, von denen aus die Kranken an Gottesdiensten und Andachten teilnehmen konnten.

Johanna Sucrow war die erste Oberin (1858 bis 1892), in ihrer Zeit wuchs die Schwesternschaft auf 170 Diakonissen, die Gemeindekrankenpflege wurde aufgebaut. Unter der zweiten Oberin Julie Spannagel (1892 1905) hatte das Stift eine bewegte Zeit. Die Stiftskirche wurde gebaut und 1893 eingeweiht, das Marthahaus entstand, ein Schwesternfeierabendhaus war 1899 fertig.

1891 wurde eine Paramentenwerkstatt eingerichtet. Seitdem sind dort ungezählte hochwertige Textilien für den kirchlichen Gebrauch entstanden. Seit 2004 ist die Werkstatt eine gemeinnützige GmbH »Textilwerkstatt am Elisabethenstift gemeinnützige GmbH«, die die Tradition der Darmstädter Paramentik innovativ weiterführt.

Hauptzweck des Diakonissenhauses war es, "christliche Jungfrauen zu tüchtigen Krankenpflegerinnen heranzubilden" und sie in der Gemeinschaft zu festigen, bevor sie in Kranken- und Siechenhäusern, später in der Gemeinde- und Kinderschulpflege außerhalb des Mutterhauses ihren Dienst antraten.

Als notwendiges Praxisfeld für die Ausbildung der Schwestern wurde das Haus 1885 und 1892 mit Krankenhäusern an der Ost- und an der Westseite erweitert. Es bildeten sich zwei Fachabteilungen heraus: Innere Medizin und Chirurgie mit je einem Chefarzt.

1930 wurde die heute unter Denkmalschutz stehende Chirurgische Klinik an der Landgraf-Georg-Straße eingeweiht. Sie blieb bei der Bombardierung Darmstadts 1944 weitgehend verschont. 1979 wurde nach Errichtung des anschließenden »Neubaus« für die Medizinische Klinik eine dritte, die Psychiatrische Klinik, eröffnet. Als im Sommer 1998 in dem an der Beckstraße errichteten Luise-Karte-Haus eine Geriatrische Klinik eröffnet wurde, waren aus den zwölf Betten zur Gründungszeit 427 geworden.

1995 wurde das Evangelische Krankenhaus Elisabethenstift als gemeinnützige GmbH aus dem Elisabethenstift ausgegliedert.

Ausbildung in Krankenpflege

Die Ausbildung in der Krankenpflege erfolgte in der Krankenpflegeschule, schon 1909 wurde sie staatlich anerkannt. Nach dem Krieg bekam sie ein Schulgebäude und ein Wohnheim in der Erbacher Straße 57. Inzwischen ist die Krankenpflegeschule an das Markuskrankenhaus über die Agaplesion gAG übertragen worden. Die praktische Ausbildung geschieht weiterhin in den drei somatischen Kliniken des Evangelischen Krankenhauses Elisabethenstift.

Altenpflege

Die Altenpflege begann im heute noch erhaltenen »Pfleghaus« in der Stiftstraße 12 A neben der Kirche (heute Haus Salem), wo pflegebedürftige Damen von Diakonissen gepflegt wurden. Das Gelände entlang der Stiftstraße war 1866 samt diesem Haus und einem kleinen »Waisenhaus« angekauft worden.

Erweitert wurde die »Siechenpflege«, wie sie damals hieß, als 1892 mit dem Männerkrankenhaus auch eine Siechenstation errichtet wurde. So konnten "... in einem großen und kleineren Saal etwa 15 Sieche 3. Klasse und in neun Zimmern neun Damen" aufgenommen werden. 1920 zogen die Pflegebedürftigen in das Waisenhäuschen, die Damen kamen in das »Elisabethenhaus«, das in der Heinrichstraße erworben wurde. Das "Hölzelstift", ebenfalls in der Heinrichstraße, kam als Schenkung ein Jahr später dazu. Diese Häuser wurden im Krieg zerstört. Aus dem Grundstückserlös konnte nach dem Krieg das Gelände westlich der Stiftstraße angekauft werden. Dort wurde 1962 ein Altenheim errichtet, das bis 1998 fünfzig alten und schwerstpflegebedürftigen Menschen Geborgenheit schenkte. Die alten Schwestern wurden im Mutterhaus selbst gepflegt. Im Sommer 1998 wurde das Luise-Karte-Haus an der Erbacher Straße fertiggestellt, das in den oberen drei Geschossen 66 Plätze für unterschiedliche Anforderungen in der Betreuung und Pflege alter Menschen bietet. Dieser Bereich "Wohnen und Pflegen" ist seit August 2005 ein Arbeitsbereich des Evangelischen Krankenhauses Elisabethenstift.

Ausbildung in Altenpflege

Altenpflege als Beruf wurde relativ spät staatlich anerkannt. Als eine der ersten in Deutschland wurde 1959 am Elisabethenstift eine »Lehranstalt für Altenpflege« gegründet. Im Elisabethenstift und in den Außenstellen in Groß-Gerau (seit 1990) und in Wiesbaden (seit 2000) wurden weit über 1000 staatlich anerkannte Altenpfleger/innen ausgebildet. Im Januar 2006 ging die Altenpflegeschule in die Trägerschaft des Hessischen Landesvereines.

Schulwesen/Fortbildung

1894 wurde im Waisenhäuschen eine Kinderschule und Krippe als Ausbildungsstätte für Kinderschulschwestern eröffnet – Geburtsstunde der heutigen Evangelischen Ausbildungsstätten für sozialpädagogische Berufe mit ihren verschiedenen Schultypen und für das Kinderhaus. Eine Diakonisse bildete die jungen Schwestern aus, nachdem sie eigens zur Schulung in ein Mutterhaus in Schlesien entsandt worden war. 1900 wurden schon 32 Kinderschulen »bedient«. 1911 wurde eine neue Kinderschule für 100 Kinder gebaut. Das ehemalige Pfarrhaus wurde 1997 durch einen Verbindungsbau angeschlossen. Es entstand das heutige Kinderhaus

Die Marthaschule war eine Haushaltungsschule für junge Mädchen besonders vom Umland. Stellenlose Mädchen wurden in Haushalte vermittelt.Das Marthahaus diente als Hospiz für Damen (Lydiaheim) und als Schülerinnenheim und bot Platz für eine Nähschule (Tabeaschule). Nach wechselvoller Nutzung arbeitet dort heute das Arbeitszentrum Fort- und Weiterbildung. Nach dem ersten Weltkrieg begann mit der »Zuflucht« eine intensive Fürsorgearbeit, für die 1926 ein Haus in der Erbacher Straße 57 gekauft wurde. Eine höhere private Mädchenschule wurde 1918 übernommen und als »Elisabethenschule« (mit nahezu 400 Schülerinnen) mit einem Internat bis zu ihrer Zwangsschließung 1939 geführt. Geplant ist, die Evangelischen Ausbildungsstätten für sozialpädagogische Berufe (EvA), das Kinderhaus und das Arbeitszentrum Fort- und Weiterbildung (afw), in einer gemeinnützigen GmbH unter dem Namen »Pädagogische Akademie Elisabethenstift« zusammenzufassen.

Schwesternschaft und geistliche Leitung

Die Schwesternschaft war stetig gewachsen (1939 auf über 400 Schwestern). Die meisten arbeiteten in der Gemeindekrankenpflege und in der Kinderschularbeit außerhalb des Stifts. Ihr geistliches Leben war geprägt vom lutherischen Bekenntnis – Vermächtnis der Prinzessin und noch heute bewusst gelebt.

Seit 1873 hatte das Stift zum erstenmal mit Pfarrer Ludwig Werner (bis 1889) einen eigenen Hausgeistlichen. Als Vorsteher folgten ihm die Pfarrer Anton Wilhelm Steiner (bis 1898) und Johannes Deggau, bis Theodor Hickel 1912 ans Stift kam. Er arbeitete mit Schwester Minna Kähler, Oberin seit 1906, 22 Jahre lang zum Wohl des Werkes zusammen.

Die schwerste Zeit

In der Zeit des Nationalsozialismus bezog das Elisabethenstift eindeutig Position und widerstand allen Bestrebungen Hitlers, die Kirchen in sein Konzept der »Gleichschaltung« einzubinden. Pfarrer Hickel musste deshalb 1934 das Stift verlassen. Pfarrer Otto Lenz wurde sein Nachfolger. Er, Oberin Minna Kähler und die Schwesternschaft traten zum Reformationsfest 1934 der Bekennenden Kirche (BK) bei, jener sehr aktiven Gruppierung in der evangelischen Kirche, die allen Übergriffen des Staates in kirchliche Angelegenheiten energisch entgegentrat.

Am 1. November 1934 fand der erste von vielen, immer überfüllten, Bekenntnisgottesdiensten in der Stiftskirche statt. Für die 1934 verstorbene Oberin Minna Kähler wurde Oberin Clothilde Freiin von Gemmingen gewählt. Am 2. Februar 1935 gab es eine Synode der BK im Stift. Pfarrer Bernhard Knell, später Vorsteher (1945 bis 1952) konnte im August 1936 trotz seiner Zugehörigkeit zur BK als 2. Pfarrer eingestellt werden. Die Verhältnisse eskalierten als im Juni 1939 der Gesamtvorstand abgesetzt wurde und die Nationalsozialisten einen aus der Kirche ausgetretenen Mann zum kommissarischen Leiter für das Elisabethenstift einsetzten. Als der Schwesternrat in einer Erklärung gegen diese Eingriffe Stellung bezog, wurde die Oberin abgesetzt und mit drei verantwortlichen Schwestern des Hauses verwiesen.

Zerstörung, Wiederaufbau und 50 Jahre Frieden

Bei dem schweren Bombenangriff auf Darmstadt in der Nacht vom 11./12. September 1944 wurden viele Gebäude des Elisabethenstifts ein Raub der Flammen. Trotzdem wurde das Stift zur Zuflucht für die überlebende Bevölkerung. Wochenlang wurden bis zu 3000 Menschen täglich mit Essen versorgt. Im legendären »Kellerhotel« zählte man bis 1950  50.000 Übernachtungen. Heimkehrer, Durchreisende und Angehörige von Internierten fanden hier eine Schlafstatt. Der innere und äußere Wiederaufbau unter der zurückgekehrten Oberin und Pfarrer Knell ging rasch voran. 1952 wurde Pfarrer Theodor Aschoff Vorsteher (bis 1973). 1969 ging Oberin von Gemmingen in den Ruhestand, ihr folgte Oberin Marlis Comes, die nach 25jähriger Amtszeit 1994 von Oberin Sabine Langenfaß abgelöst wurde.

In der Amtszeit von Pfarrer Günther Söhngen (bis 1982) erhielt das Elisabethenstift am 1. April 1978 eine neue Verfassung mit einem Kuratorium als Aufsichtsorgan. Von Januar 1983 bis 2000 war Pfarrer Ernst-Ludwig Spitzner Vorsteher. Er nahm langfristige Entwicklungen in den Blick und begann das Projekt eines Qualifikationszentrums für soziale Berufe. Pfarrer Reinhard Herrenbrück war sein Nachfolger. Ab 2004 wurde die Stiftung von einem dreiköpfigen Vorstand, der einem Kuratorium verantwortlich ist, geleitet. Ziel der Umstrukturierung ist, die Erhaltung der Arbeitsbereiche, die alle in der Gründungszeit des Elisabethenstifts wurzeln und die geistliche und materielle Versorgung der Diakonissen. Das Elisabethenstift steht unter dem Wahlspruch:

Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt

2008 vollendeten sich 150 Jahre wechselvolle Geschichte des Elisabethenstifts – aber »unabhängig von allen zeit- und arbeitsbedingten Veränderungen bleibt der Auftrag Jesu Christi zur Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat verpflichtend.« (Verfassung)